English-Speaking Cultures
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Forschungsaktivitäten

Individualisierung im Englischunterricht durch ein fachspezifisches Unterrichtsdesign

„Individuelle Förderung“ und „Individualisierung“ sind Schlagworte, die in der heutigen pädagogischen Diskussion verstärkt genutzt werden. Dies ist nicht zuletzt auf den Grundgedanken der inklusiven Beschulung durch die UN-Behindertenrechtskonvention zurückzuführen. Inklusion bedeutet, dass Schüler/innen mit und ohne Behinderung im allgemeinen Schulwesen beschult werden sollen. Im Rahmen der inklusiven Beschulung steht darüber hinaus der Fördergedanke im Mittelpunkt des Unterrichts: Alle Schüler/innen sollen im Rahmen ihrer Möglichkeiten im allgemeinen Schulwesen bestmöglich gefördert und gefordert werden. Diese Reform führt verkürzt gesprochen dazu, dass erfolgreiche Individualisierungsprozesse im Schulwesen an Bedeutung gewinnen und die Selektionsfunktion von Schule eher geschwächt wird. An dieser Entwicklung setzt die vorliegende Studie an. Die Forschungsfrage der geplanten Studie lautet:

Wie kann ein Unterrichtsdesign im Englischunterricht konzipiert werden, das eine fachspezifische Kompetenz individuell fördert?

Um diese Forschungsfrage verorten zu können, ist zu betonen, dass Lernwege von Schüler/innen immer schon individuell waren, da sie allgemein bzgl. diverser Merkmale unterschiedlich sind. So haben beispielsweise Lernende seit jeher verschiedene Muttersprachen bzw. sprechen verschiedene Sprachen im häuslichen Umfeld (vgl. Autorenteam Bildungsberichterstattung Bremen und Bremerhaven 2012) und entstammen unterschiedlichen sozialen Kontexten (vgl. PISA-Konsortium 2010 und Autorengruppe Bildungsberichterstattung 2012). Außerdem kann gezeigt werden, dass sie unterschiedliche fachliche Kompetenzen haben, was die PISA-Studie für die Fächer Mathematik, Deutsch und die Naturwissenschaften (vgl. PISA-Konsortium 2010) und die DESI-Studie für die Fächer Deutsch und Englisch (vgl. DESI 2006) gezeigt haben. Es steht damit fest, dass Schüler/innen in einer Lerngruppe verschiedene Hintergründe und diverse Kompetenzen haben. Der inklusive Beschulungsgedanke hat die Heterogenität der Lernausgangslagen und somit die Notwendigkeit von Individualisierung im Unterricht nicht erschaffen. Er regt aber einen Umgang mit der Heterogenität der Lernenden an, der sich vom traditionellen Schulsystem grundlegend unterscheidet, welches die Schüler/innen durch selektive Maßnahmen, wie Zuordnung zu Schultypen, Sitzenbleiben und Abschulungen der Schule anpasst und nicht umgekehrt. Die gemeinsame Beschulung sehr verschiedenartiger Schüler/innen im Zusammenhang mit der Schwächung der Selektionsfunktion von Schule erfordert es, dass die Schule sich verstärkt dem/r Schüler/in als Individuum und dessen/deren Voraussetzungen zuwendet.

Bislang gibt es allgemeindidaktische und auch schon in ersten Ansätzen fachspezifische Beiträge, wie Individualisierung betrieben werden kann (z.B. Trautmann / Wischer 2011, Eisenmann / Grimm 2011 und Hallet 2011). Es ist zu betonen, dass Individualisierung nur fachspezifisch erfolgen und in einem Projekt evaluiert werden kann, da in den Fächern unterschiedliche Kompetenzen mit spezifischen Methoden gefördert werden; daher kann es nicht zielführend sein, ausschließlich allgemeindidaktische Vorschläge zur individualisierenden Unterrichtsgestaltung zu geben bzw. zu evaluieren. Der Fokus auf die Erforschung des Unterrichtsfaches Englisch im Kontext von Individualisierung ergibt sich besonders durch seine Sonderrolle im schulischen Curriculum dadurch, dass Schüler/innen im Englischunterricht die Sprache lernen und gleichzeitig kommunikativ anwenden sollen. Inhalt, Medium und Ziel des Englischunterrichts sind also stark verkürzt gesprochen identisch (Englisch); diese Disposition erfordert spezielle fachdidaktische Konzeptionen für Individualisierung. Außerdem übernimmt die Fremdsprache Englisch eine Schlüsselstellung im Curriculum dadurch, dass sie erste Schulfremdsprache für fast alle Schüler/innen ist; so bereitet sie weiteres Fremdsprachenlernen vor und ist in der Regel die Basis für schulische Mehrsprachigkeit. Bislang deutet sich an, dass Lehrende im Englischunterricht der Heterogenität der Lernenden eher oberflächlich, z.B. durch eine strukturelle Individualisierung des Lernprozesses in Form von Arbeitsplänen, begegnen (vgl. Doff / Gielser 2014). In diesen Arbeitsplänen werden aber gerade die zentralen kommunikativen Kompetenzen Sprechen und Hörverstehen eher nachrangig gefördert und es stehen grammatikalische und lexikalische Übungen im Vordergrund (ebd.: 80). Dieser Typ von Übungen ist für die Förderung des übergeordneten Lernziels im Englischunterricht, die kommunikative Kompetenz, jedoch nur nachgeordnet relevant. Somit wird deutlich, dass die Orientierung an prinzipiell sinnvollen Arbeitsplänen im Unterrichtsfach Englisch u.U. ein Problem darstellt, da die fachspezifischen Kompetenzen dadurch nicht oder nicht schwerpunktmäßig geschult werden können. Diese Argumentation verdeutlicht, dass es fachspezifische didaktische Ansätze geben muss, wie Schüler/innen im jeweiligen Unterricht individuell im Hinblick auf die fachspezifischen Schlüsselkompetenzen gefördert werden.

An dieser Stelle setzt das dreistufige Projekt an. Die Fragestellungen der einzelnen Phasen lauten:

Grafik

Die Wahl auf dieses dreistufige Vorgehen begründet sich wie folgt. Da der Unterricht im reformierten Schulsystem verstärkt auf die individuellen Bedürfnisse der Schüler/innen eingehen soll, stehen die Lehrenden vor der Aufgabe jede/n Lernende/n optimal zu fördern. Wie die Lehrenden diese Aufgabe ausfüllen und in welchen Bereichen sie Unterstützungsbedarf haben, wurde bislang für den Englischunterricht nicht erforscht. Diese Fragen sollen im ersten Projektabschnitt  durch standardisierte Fragebögen erhoben werden. Der Fragebogen richtet sich an Funktionsträger im Schulsystem, wie z.B. Ausbilder/innen in der zweiten Lehrerausbildungsphase und Fachsprecher/innen an den Schulen, da diese in kondensierter Form Problemlagen aufzeigen können. Befragt werden sollen Probanden aus den Stadtstaaten Bremen, Hamburg und Berlin, da die drei Bundesländer vergleichbare reformierte Schulsysteme und damit weitgehend analoge Rahmenbedingungen aufweisen. Außerdem lassen sich Problemlagen, die hier identifiziert werden, auf andere Ballungszentren in Deutschland, wie z.B. das Ruhrgebiet und andere deutsche Großstädte, übertragen. Die erwarteten Ergebnisse aus Phase I weisen also durchaus über die drei Bundesländer hinaus, in denen sie erhoben werden. In dem Fragebogen soll erhoben werden, welche individualisierenden Methoden eingesetzt werden, welche Kompetenzen verstärkt gefördert werden, ob und wie Diagnostik erfolgt bzw. welche Arten der Leistungs- bzw. Kompetenzprüfung genutzt werden und insbesondere welche Problemlagen sich speziell für den Englischunterricht zeigen. Dieser erste Teil des Forschungsprojekts dient als Vorprojekt für die Projektschritte II und III und wird im Jahr 2014 umgesetzt.

Basierend auf den Erkenntnissen des ersten Projektteils können Problemlagen herausgearbeitet werden, die einer Entwicklung eines Unterrichtsdesigns und somit einer Weiterbildung der Lehrkräfte bedürfen. Ein Unterrichtsdesign umfasst ein fachspezifisches Konzept mit passendem Material für eine bestimmte Jahrgangsstufe. An dieser Stelle kommt es demnach zu einer Verzahnung der empirischen Theoriebildung und der schulischen Praxis; Problemlagen aus der Praxis werden theoretisch aufgearbeitet und weiterentwickelt. Dies entspricht dem Projektabschnitt II. Dieser Forschungsschwerpunkt soll im Jahr 2014 und Anfang des Jahres 2015 umgesetzt werden. Problemlagen dieser Art könnten sein – wie bereits angedeutet wurde –, dass Lernwege für die kommunikativen Kompetenzen Sprechen und Hörverstehen bislang unzureichend individualisiert werden können und dass es hierfür keine gangbaren Unterrichtsdesigns gibt.

Eine identifizierte Problemlage wird dann im dritten Projektabschnitt im Jahr 2015 in eine konkrete Unterrichtssequenz elaboriert. Diese setzen Lehrende aus den Stadtstaaten im Unterricht in mindestens 10 Klassen ein und der Einsatz wird mit adäquaten Methoden evaluiert. Studien der Art, welche Methoden und Konzepte, die Lernprozesse individualisieren und auf die Heterogenität der Schüler/innen eingehen, beleuchten, werden dringend benötigt, da in der wissenschaftlichen Theoriebildung in jüngerer Vergangenheit methodische Vorschläge entstehen, die keine empirische Basis haben (vgl. Trautmann 2011: 14). Da der konzeptionelle Fokus der geplanten Studie aufgrund der ausstehenden Befragung noch nicht gegeben ist, sollen im Folgenden mögliche Projekte skizziert werden, die sich aus der Fragebogenerhebung ergeben könnten. Es könnte, wie argumentiert, darum gehen individuelle Lernwege bei der Schulung der kommunikativen Kompetenzen zu eröffnen. Beispiele wären folgende Projekte:

  • Bezüglich der Kompetenz Sprechen könnte es darum gehen, wie individualisierende Scaffoldingangebote und Hilfestellungen von den Schüler/innen genutzt werden und wie der Einsatz der Unterstützung den Anteil der englischen Sprache beeinflusst.
  • Bezüglich der Kompetenz Hörverstehen könnte es darum gehen, wie eine Lenkung und Fokussierung des Hörprozesses das individuelle Verstehen des Hörtextes beeinflusst.

Für Forschungen dieser Art könnten Schülerprodukte analysiert werden bzw. Schüler/innen bei der Bearbeitung von Aufgaben zum Lauten Denken aufgefordert werden und dies auditiv aufgezeichnet werden. Außerdem könnten Schüler/innen bzw. Lehrer/innen schriftlich und/oder mündlich befragt werden.

Autorengruppe Bildungsberichterstattung (2012): Bildung in Deutschland 2012. Ein indikatorengestützter Bericht mit einer Analyse zur kulturellen Bildung im Lebenslauf. Bielefeld: Bertelsmann.

Autorenteam Bildungsberichterstattung Bremen und Bremerhaven (2012): Bildung – Migration – soziale Lage. Voneinander und miteinander Lernen. Senatorin für Bildung, Wissenschaft und Gesundheit: Bremen.

DESI-Konsortium (Hrsg.) (2006): Unterricht und Kompetenzerwerb in Deutsch und Englisch, Ergebnisse der DESI-Studie. Weinheim und Basel: Beltz.

Doff, Sabine, Giesler, Tim (2014): „Jack in Search of Jill. Möglichkeiten und Grenzen der individuellen Förderung im Englischunterricht.“ In: Friedrich Jahresheft 2014: 79-81.

Eisenmann, Maria, Grimm, Thomas (Hrsg.) (2011): Heterogene Klassen – Differenzierung in Schule und Unterricht. Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren.

Hallet, Wolfgang (2011): Lernen Fördern. Englisch. Kompetenzorientierter Unterricht in der Sekundarstufe 1. Seelze: Klett und Kallmeyer.

PISA-Konsortium (2010): PISA 2009. Bilanz nach einem Jahrzehnt. Münster: Waxmann.

Trautmann, Mathias (2011): „Heterogenität – (k)ein Thema für die Fremdsprachendidaktik?“ In: Börner, Otfried, Edelhoff, Christoph, Lohmann, Christa (Hrsg.) (2011): Individualisierung und Differenzierung im kommunikativen Englischunterricht. Braunschweig: Diesterweg: 6-16.

Trautmann, Mathias, Wischer, Beate (2011): Heterogenität in der Schule. Eine kritische Einführung. Wiesbaden: VS.

Habilitationsprojekt von Dr. Katharina Verriere

Laufzeit: seit 2014

Kontakt zu dem Projekt:

Dr. Katharina Verriere
Tel. 0421 218-68173
k.verriere@uni-bremen.de [mailto:k.verriere@uni-bremen.de]