Plenarvortrag II: Das mehrsprachige Klassenzimmer als „sicherer Ort“ im Kontext von Migration und Trauma
Dr. Verena Plutzar, Wien
In der Traumapädagogik ist der „sicherer Ort“ ein zentrales Element. Er stellt für Menschen, die traumatisierende Erfahrung gemacht haben, einen wichtigen Entwicklungsraum zur Verfügung. Der „sicherer Ort“ ist einer, in dem nicht nur das durch das Trauma verlorene Vertrauen zur Umwelt wieder aufgebaut werden kann, sondern er ermöglicht darauf aufbauend, dass eine konstruktive Auseinandersetzung mit Neuem und Unvertrautem (wieder) möglich wird.
Das mehrsprachige Klassenzimmer im Jahr 2019 ist bestimmt durch den Kontext Flucht- und Migrationsbewegungen. Kinder und Jugendliche bringen nicht nur unterschiedliche Sprachen in den Unterricht, sondern auch traumatisierende Erfahrungen, die mit jeder Flucht und potentiell mit jeder unfreiwilligen Migration verbunden sind. Dazu gehören auch – ganz wesentlich für Bildungszusammenhänge – das Erleben einer (anfänglichen) Sprachlosigkeit bei gleichzeitiger Notwendigkeit der Aneignung einer neuen Sprache.
Die engen Verbindungslinien zwischen Sprachverlust und -aneignung auf der einen Seite und Migrations- und Fluchterfahrung auf der anderen Seite werden im Vortrag nachgezeichnet und psychoanalytisch begründet. Diese Zusammenhänge machen die Notwendigkeit deutlich, das Klassenzimmer nicht nur emotional, sondern vor allem auch sprachlich als „sicheren Ort“ zu gestalten. Unter den aktuellen Strömungen scheint die pädagogische Strategie des „translanguaging“ diese Notwendigkeit am besten zu erfüllen, was schließlich anhand der grundlegenden Haltungen dieser Strategie und eines konkreten Unterrichtsbeispiels erläutert wird.